„Phönix aus der Asche“: Bildungs- und Wettbewerbs-Chancen verbessern durch die energetische Sanierung von Schulen in Deutschland

Investitionsrückstände im Schulbereich geben Anlass zur Sorge
Klima-Campus Lichtenau
2025

Ein wichtiges Thema rund um die Anpassung unserer Gesellschaft an drängende Klimaerfordernisse ist die anstehende Sanierung eines großen Bestands an Schulgebäuden in Deutschland.

In diesem Zusammenhang hat die Chefvolkswirtin einer der führenden Förderbanken der Welt, der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Dr. Fritzi Köhler-Geib, wiederholt auf großen Handlungsbedarf hingewiesen:  

 

„Bildung ist ein wesentlicher Faktor für den zukünftigen Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Moderne Schulgebäude sind neben der individuellen Qualität der Lehrenden eine tragende Säule eines leistungsfähigen Bildungssystems. Die seit Jahren hohen Investitionsrückstände im Schulbereich geben deshalb Anlass zur Sorge". (1) 

 

Bei den dringend zur Sanierung anstehenden Schulgebäuden handelt es sich vor allem um die „Betonarchitektur“, auf die in der Schulbauwelle der 1970er Jahre zurückgegriffen wurde. Diese kubischen Bauwerke wurden noch nicht mit Blick auf energetische Aspekte des Gebäudemanagements konzipiert. Heute hängt ihr konkreter Sanierungsbedarf von vielen individuellen Faktoren ab - etwa vom ursprünglichen Bauzustand und vom Aufwand, der im Laufe der Jahre in Wartung und Instandhaltung investiert wurde.  

 

Die architektonische Gestaltung dieser inzwischen um die 50 Jahre alten Schulen weist typische Merkmale auf: Maßgeblich waren die Bildungs-Ideen der Industrialisierung, die zu einer „Flurschulen-Kultur“ geführt haben. An langen Fluren reiht sich Klassenzimmer an Klassenzimmer. Die Unterrichtsräume sind zur Praktizierung eines üblichen Frontalunterrichts und zur Disziplinierung der Schüler streng nach vorne auf die Tafel ausgerichtet.  

 

Moderne Schulgebäude mit der Qualität eines „dritten“ Pädagogen 

 

Die auf 45-Minuten-Unterrichtseinheiten zugeschnittenen „Lernanstalten“ wurden jahrzehntelang überall in Deutschland gebaut. Werden diese Gebäude heute energetisch saniert, ergibt sich die Gelegenheit, gleichzeitig Raumstrukturen zu schaffen, die aktuellen, veränderten pädagogischen Anforderungen gerecht werden. So können u.a. ideale Voraussetzungen für flexiblen Unterricht geschaffen werden, in denen Lehrer ihre Schülerinnen und Schüler in Groß- und Kleingruppen arbeiten lassen, individuell fördern oder auch Raum für selbstorganisiertes Lernen geben.  

 

Schulkonzept-Experten sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass der Raum in Schulgebäuden zunehmend die Qualität eines „dritten Pädagogen“ (2) bekommen sollte. Basis dafür sind Klassen- und Differenzierungsräume mit flexibler Raumnutzung und Möblierung. Schulen sind mit Zugang zur Natur zu gestalten, indem sie Verbindungen zum Außenbereich vorsehen, außerhalb der Gebäude „grüne Klassenzimmer“ eingerichtet werden und es leicht zugänglichen Anschluss an Schulgärten, an Grün- und Sportflächen gibt. Schulgebäude können darüber hinaus lebendige Zentren ihres Stadtteils werden, indem neben Sportanlagen, Mensa, Aula bestimmte Multifunktionsräume für die Allgemeinheit geöffnet sind.  

 

Schulsanierungen mit effektiven Klimatisierungskonzepten gefordert 

 

Für optimale Lernumgebungen sind darüber hinaus effektive Klimatisierungskonzepte entscheidend. Im Gegensatz zur Arbeitswelt, in der zunehmend über innovative "New Work"-Ansätze gesprochen wird, ist die große Bedeutung guter Arbeitsbedingungen in Schulen in der Fachöffentlichkeit weniger präsent. Beispielsweise mit Blick auf die Innenluftqualität in Klassenräumen: Die traditionelle manuelle Fensterlüftung reicht nicht aus, um zeitgemäße Luftqualitäts-Standards zu erreichen, denn die Schülerinnen und Schüler müssen sich über längere Zeit in vergleichsweise kleinen Räumen aufhalten. Im Rahmen von Schulsanierungen werden deshalb häufig hybride Lüftungskonzepte gefordert, die zentral gesteuerte Anlagen für kontinuierliche Grundlüftung mit der Möglichkeit zur manuellen Fensteröffnung kombinieren. 

 

Damit stellen sich Verantwortlichen Fragen wie: Wie können die ausstehenden Sanierungen unserer Schulen realisiert werden? Welche Herausforderungen stellen sich im Einzelnen?  

 

Um die Komplexität von Aufgaben und Bedingungen nachzuvollziehen, schauen wir uns ein gelungenes Beispiel an, das als Modell dienen kann: Wir blicken auf die Stadt Lichtenau im Kreis Paderborn, die sich bereits seit Jahrzehnten in Ostwestfalen und weit darüber hinaus nicht nur als „Energiestadt“, sondern auch als positives Beispiel für die Wende hin zur konsequenten Nutzung regenerativer Energien profilieren konnte:  

 

Schulsanierungs-Case Story Klima-Campus Lichtenau 

 

Es begann in den 1990er Jahren mit dem damals größten Windpark auf europäischem Festland. Heute ist die Produktion von Strom auf der Basis regenerativer Energien in der Gemeinde zehnmal höher als der dortige Verbrauch.  

 

Als der heutige Klimaschutzmanager Günter Voß seine Position 2016 in Lichtenau antrat, stand mit dem 1973 errichteten Realschulgebäude der größte Gebäudekomplex im Immobilienbestand der Gemeinde zur dringenden Sanierung an. Zuvor hatte Voß von 2005 bis 2010 das Lichtenauer Institut für energetische Gebäudesanierung (IGL) als Geschäftsführer geleitet und passend Projekt-Erfahrungen gesammelt.  

 

In seinem Lichtenauer Verantwortungsbereich fehlten bis zum Jahr 2018 für Schul-Sanierungs-Maßnahmen Finanzierungs-Möglichkeiten. Eher zufällig stießen Günter Voß und weitere Verantwortliche - die damals leitende Architektin der Gemeinde Kordula Böhner und der Stadtwerke-Geschäftsführer Hermann Dickgerber - auf einen Wettbewerb, den das nordrheinwestfälische Wirtschaftsministerium initiiert hatte. Dieser richtete sich an Städte, Gemeinden und Kreise in NRW; gesucht wurden beispielhafte Ideen für den kommunalen Klimaschutz. Für die Gewinner ausgeschrieben war die Förderung von Projekten, die im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie beispielhaft Treibgas-mindernde Lösungen realisieren. Die Beteiligung an diesem Wettbewerb nutzten die Lichtenauer, indem sie für die Sanierung ein umfassendes Konzept eines „Klima-Campus“ mit der sanierten Realschule als zentralem Gebäudekomplex „ins Rennen“ schickten.  

 

Die Jury des „KommunalerKlimaschutz.NRW“-Wettbewerbs war von diesem Konzept überzeugt und wählte es als eines von 25 vorbildlichen kommunalen Klimaschutzprojekten als preiswürdig aus. So wurde die Umsetzung des Lichtenauer Projekts durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen mit 8,3 Millionen Euro gefördert. Zusätzlich erhielt die Stadt mehrere Förderdarlehen der NRW.BANK - insgesamt kamen Fördermittel in Höhe von rund 13,3 Millionen Euro zusammen. 

 

In der Folge wurden die Realschule und das umliegende Areal saniert, um heute den Lichtenauer Klima-Campus zu bilden, der 250 Tonnen CO2 jährlich einsparen hilft. (3)  

Klimacampus Lichtenau neu gestalteter Pausenraum für Studenten mit Sitzgelegenheiten, Schließfächern und Beleuchtung.

Der neuentstandene Pausenraum – Bildrechte: Stadt Lichtenau

Klimacampus Lichtenau neu geschaffener Pausenraum für Studenten mit modernen Möbeln. Bildrechte Stadt Lichtenau.

Der neuentstandene Pausenraum – Bildrechte: Stadt Lichtenau

Einige Highlights der erfolgten Maßnahmen:  

 

  • Die Hülle des Schulgebäudes wurde zeitgemäß isoliert, Dächer wurden begrünt, die Gesamtbeleuchtung auf LED-Technik umgestellt, Flächen wurden entsiegelt.  

  • Ein Eisspeicher ermöglicht ganzjährig energieeffizientes und klimagerechtes Heizen und Kühlen der Gebäude. 

  •  Die Versorgung mit durchgängig erneuerbarer Energie erfolgt über den nahe gelegenen Windpark, über eine Photovoltaik-Anlage sowie eine Mini-Windturbine für die Küche. Auf dem Campus-Umfeld gibt es ein „grünes Klassenzimmer“ unter freiem Himmel. Ladestationen für Elektrofahrzeuge wurden installiert.  

  • Die Schüler der Realschule können ihren Mofa-Führerschein auf drei schuleigenen E-Mofas machen. 

 

Am Freitag, den 11. August 2023, wurde der Klima-Campus Lichtenau im Rahmen einer Feierstunde in der vollbesetzten Aula der Realschule eröffnet. Zu den an der Veranstaltung teilnehmenden Gratulanten gehörte die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin und Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie Mona Neubaur. Die Ministerin stellte in ihrem Statement zur Eröffnung heraus:  

Der Klima-Campus wird mehr sein als ein Gebäude. Er wird zu einem Ort des Möglichmachens von Klimaschutz (…)
Moderner Fahrradunterstand und Campusgebäude am Klimacampus Lichtenau. Bildrechte: Stadt Lichtenau.

Der „Fahrradhafen“ der Schule - Bildrechte: Stadt Lichtenau

Klimacampus Lichtenau Campusgebäude Vorderansicht mit großem KLIMA Schild gut sichtbar im Vordergrund.

In der Realschule auf dem Klima-Campus steht das Klima-Thema ständig im Vordergrund - Bildrechte: Hubert Niewels GmbH 

Vermeidung von bürokratischen Hürden war entscheidend 

 

Wenn die Schulleiterin Andrea Stollberg heute - Anfang des Jahres 2024 - im Gespräch die Phasen der Vorbereitung und die anschließende Durchführung der Sanierung der Schulgebäude Revue passieren lässt, denkt sie zunächst an drei Jahre „Ausweich-Schulbetrieb“ in Containern. Für deren Aufbau konnte die Stadt glücklicherweise Flächen in der Nähe der Schulgebäude zur Verfügung stellen. Eine positive Bilanz zieht die Rektorin insbesondere mit Blick auf die Zusammenarbeit mit den zuständigen Vertretern der Gemeinde, die zusammen mit Vertreterinnen des Realschul-Kollegiums eine gemeinsame Planungsgruppe bildeten. Dabei wurden bürokratische Hürden vermieden, über die häufig bei vergleichbaren Sanierungs-Projekten berichtet wird: Die Gemeinde-Vertreter bildeten eine Steuerungs-Gruppe, die bis zu einem bestimmten Umfang mit der Kompetenz versehen war, Einzelentscheidung selbstständig zu treffen, ohne jeweils den kompletten Stadtrat befragen zu müssen.  

 

Andrea Stollberg hält es heute für besonders wichtig, dass sich diese gemeinsame Planungsgruppe im Vorfeld zusammen mit einem externen Planungs-Coach die Zeit nahm, Vergleichsobjekte zu besuchen und mit den Verantwortlichen dort zu sprechen. Die dabei gesammelten Informationen und Perspektiven erleichterten es, in der Planung des Gebäudeumbaus in Lichtenau pädagogische Ziele, bautechnische Erwägungen und Vorgaben des kommunalen Gebäudemanagements miteinander zu verbinden. 

Klimacampus Lichtenau nachhaltiger Klassenraum für Studenten mit Möbeln und Fenstern. Bildrechte Stadt Lichtenau.

Intelligente Klimasteuerung für gesunde, produktive Klassenräume - Bildrechte Stadt Lichtenau 

Gebäudeautomation schafft förderndes und gesundes „Lernklima“ 

 

Nach Abschluss der Gebäudesanierung hat sich der Schulalltag merklich verändert. Etwa mit Blick auf das „Lernklima“ in den einzelnen Klassenräumen: Zuvor wurde im Schulbetrieb - insbesondere verursacht durch schlecht isolierte Fassaden - während des Sommers geschwitzt und im Winter gefroren. Heute sorgt eine integrierte Gebäudeautomations-Lösung dafür, dass die Klassenräume ganzjährig leistungsfördernd und Gesundheits-erhaltend temperiert sind. 

 

Mit der Realisierung der entsprechenden MSR-Lösung beauftragt wurde die Hubert Niewels GmbH mit ihrem Standort in Bad Lippspringe, die bereits seit Jahrzehnten im Bereich Ostwestfalen-Lippe Objekte der öffentlichen Hand mit Gebäudetechnik und -automation ausstattet. Für die Lüftung der Unterrichtsräume installierten die Niewels-Mitarbeiter eine dezentrale Lösung mit Lüftungstechnik des Herstellers Trox. Damit verfügen die einzelnen Klassenräume über separate, per BacNet in die Gesamtsteuerung integrierte Lüftungsgeräte, die „flüsterleise“ arbeiten, Störgeräusche von außen abhalten, zugeführte Frischluft bis auf eine Wunschtemperatur anwärmen und dabei laut Herstellerangabe dank effizienter Wärmerückgewinnung nur halb so viel Strom verbrauchen wie ein handelsüblicher Laptop. Die damit ermöglichte Luftqualität im Raum wird per individueller Raumautomation gesteuert, die von Niewels mit Priva Comforte CX-Controllern realisiert wurde. Dadurch können Lehrerinnen und Lehrer die Leistung der Lüftungsanlage bei Bedarf auch unmittelbar im Raum selber über ein kleines, in der Nähe des Lehrerpults angebrachtes Display nachregeln. Dabei handelt es sich um ein Priva Touchpoint One CO2-Bedienelement, das speziell für die Überwachung des CO2-Gehalts der Luft konzipiert wurde und mit einem NDIR-CO2-Sensor arbeitet. Das Touch-Display dokumentiert mittels einer Darstellung von drei Emojis („1 - Smiling“, „2- Sceptical“, „3 - Unwell“), wie es um die Luftgüte steht, ob die Lüftungsanlage hochzuregeln ist oder ggf. die Fenster zu öffnen sind. 

 

Die Temperierung der Klassen erfolgt über Fußboden-Heizungen, die ebenfalls über die Raumsteuerung geregelt werden. Ob ein Raum überhaupt genutzt ist und temperiert werden muss, ermittelt die Gebäude-Gesamtsteuerung über einen zentral platzierten Priva Multisensor, der eine Anwesenheitsdetektion in allen Klassenräumen realisiert. Und für die Steuerung der Beschattung per Jalousien vor den Klassenfenstern werden die Daten einer auf dem Campus-Gelände installierten Wetterstation etwa zu Beleuchtungsstärke und Sonneneinstrahlungs-Winkel genutzt.  
 

Für die Gesamtsteuerung der MSR-Lösung hat Niewels inzwischen die Cloud-gestützte Anwendung Priva Building Operator implementiert. Diese ermöglicht eine effiziente Fernwartung und kurze Reaktionszeiten. Im Fall von Störungen wird die  Notification Center-Funktion in der Cloud aktiviert: Das zuständige Wartungspersonal wird per Smartphone-App und per E-Mail über die Probleme informiert. Zur nachhaltigen Überwachung und Optimierung der Energieverbräuche wurde durch Niewels das hauseigene und zertifizierte Energiemanagement-System Xircum eingesetzt. Der Gebäudemanager kann hiermit kontinuierlich den komplexen Anlagenbetrieb analysieren und auf das Nutzerverhalten oder auf einen variierenden Bedarf anpassen. 

Priva Touchpoint Wall am Klima Campus Lichtenau zeigt 19.7°C mit grünem CO₂ Licht. Bildrechte Realschule Lichtenau.

Priva Touchpoint One | Erfolg – grünes Emotji: „gute Luft“ - Fotorechte: Realschule Lichtenau 

Schaltschrank mit Blue ID-Modul und Verkabelung am Klimacampus Lichtenau, Priva BMS. Bildrechte Hubert Niewels GmbH.

Priva Blue ID - Bildrechte: Hubert Niewels GmbH 

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Eine klimaneutrale und Klimafolgen-angepasste Schule für die Zukunft 

 

Dass die Realschule auf dem Klima-Campus nicht nur technisch gesehen repräsentiert, wie eine klimaneutrale und Klimafolgen-angepasste Schule der Zukunft aussieht, zeigt der inzwischen erweiterte Lehrplan der Schule. Dabei werden u.a. die Möglichkeiten ihres neuen „grünen Klassenzimmers“ im Außenbereich genutzt:  

 

Das Kollegium nutzt das von der Initiative „Schule im Aufbruch“ entwickelte Lernformat „FREI DAY“. Damit bekommt Projektarbeit rund um das Thema Klimawandel eine bedeutende Rolle im Unterricht der Schule. - Die Schüler bestimmen freitags selbständig Themen rund um die 17 Ziele der UNESCO für eine nachhaltige Entwicklung, bei denen sie sich engagieren möchten. Bereits realisiert wurden beispielsweise Konzepte für Müllvermeidung - auch Hochbeete und Insektenhotels wurden gebaut. 

 

Quellen: 

 

3. Website des Klima-Campus Lichtenau: https://klima-campus.lichtenau.de/klima-campus/index.php 

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