In diesem Zusammenhang hat die Chefvolkswirtin einer der führenden Förderbanken der Welt, der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Dr. Fritzi Köhler-Geib, wiederholt auf großen Handlungsbedarf hingewiesen:
„Bildung ist ein wesentlicher Faktor für den zukünftigen Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Moderne Schulgebäude sind neben der individuellen Qualität der Lehrenden eine tragende Säule eines leistungsfähigen Bildungssystems. Die seit Jahren hohen Investitionsrückstände im Schulbereich geben deshalb Anlass zur Sorge". (1)
Bei den dringend zur Sanierung anstehenden Schulgebäuden handelt es sich vor allem um die „Betonarchitektur“, auf die in der Schulbauwelle der 1970er Jahre zurückgegriffen wurde. Diese kubischen Bauwerke wurden noch nicht mit Blick auf energetische Aspekte des Gebäudemanagements konzipiert. Heute hängt ihr konkreter Sanierungsbedarf von vielen individuellen Faktoren ab - etwa vom ursprünglichen Bauzustand und vom Aufwand, der im Laufe der Jahre in Wartung und Instandhaltung investiert wurde.
Die architektonische Gestaltung dieser inzwischen um die 50 Jahre alten Schulen weist typische Merkmale auf: Maßgeblich waren die Bildungs-Ideen der Industrialisierung, die zu einer „Flurschulen-Kultur“ geführt haben. An langen Fluren reiht sich Klassenzimmer an Klassenzimmer. Die Unterrichtsräume sind zur Praktizierung eines üblichen Frontalunterrichts und zur Disziplinierung der Schüler streng nach vorne auf die Tafel ausgerichtet.
Moderne Schulgebäude mit der Qualität eines „dritten“ Pädagogen
Die auf 45-Minuten-Unterrichtseinheiten zugeschnittenen „Lernanstalten“ wurden jahrzehntelang überall in Deutschland gebaut. Werden diese Gebäude heute energetisch saniert, ergibt sich die Gelegenheit, gleichzeitig Raumstrukturen zu schaffen, die aktuellen, veränderten pädagogischen Anforderungen gerecht werden. So können u.a. ideale Voraussetzungen für flexiblen Unterricht geschaffen werden, in denen Lehrer ihre Schülerinnen und Schüler in Groß- und Kleingruppen arbeiten lassen, individuell fördern oder auch Raum für selbstorganisiertes Lernen geben.
Schulkonzept-Experten sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass der Raum in Schulgebäuden zunehmend die Qualität eines „dritten Pädagogen“ (2) bekommen sollte. Basis dafür sind Klassen- und Differenzierungsräume mit flexibler Raumnutzung und Möblierung. Schulen sind mit Zugang zur Natur zu gestalten, indem sie Verbindungen zum Außenbereich vorsehen, außerhalb der Gebäude „grüne Klassenzimmer“ eingerichtet werden und es leicht zugänglichen Anschluss an Schulgärten, an Grün- und Sportflächen gibt. Schulgebäude können darüber hinaus lebendige Zentren ihres Stadtteils werden, indem neben Sportanlagen, Mensa, Aula bestimmte Multifunktionsräume für die Allgemeinheit geöffnet sind.
Schulsanierungen mit effektiven Klimatisierungskonzepten gefordert
Für optimale Lernumgebungen sind darüber hinaus effektive Klimatisierungskonzepte entscheidend. Im Gegensatz zur Arbeitswelt, in der zunehmend über innovative "New Work"-Ansätze gesprochen wird, ist die große Bedeutung guter Arbeitsbedingungen in Schulen in der Fachöffentlichkeit weniger präsent. Beispielsweise mit Blick auf die Innenluftqualität in Klassenräumen: Die traditionelle manuelle Fensterlüftung reicht nicht aus, um zeitgemäße Luftqualitäts-Standards zu erreichen, denn die Schülerinnen und Schüler müssen sich über längere Zeit in vergleichsweise kleinen Räumen aufhalten. Im Rahmen von Schulsanierungen werden deshalb häufig hybride Lüftungskonzepte gefordert, die zentral gesteuerte Anlagen für kontinuierliche Grundlüftung mit der Möglichkeit zur manuellen Fensteröffnung kombinieren.
Damit stellen sich Verantwortlichen Fragen wie: Wie können die ausstehenden Sanierungen unserer Schulen realisiert werden? Welche Herausforderungen stellen sich im Einzelnen?
Um die Komplexität von Aufgaben und Bedingungen nachzuvollziehen, schauen wir uns ein gelungenes Beispiel an, das als Modell dienen kann: Wir blicken auf die Stadt Lichtenau im Kreis Paderborn, die sich bereits seit Jahrzehnten in Ostwestfalen und weit darüber hinaus nicht nur als „Energiestadt“, sondern auch als positives Beispiel für die Wende hin zur konsequenten Nutzung regenerativer Energien profilieren konnte:
Schulsanierungs-Case Story Klima-Campus Lichtenau
Es begann in den 1990er Jahren mit dem damals größten Windpark auf europäischem Festland. Heute ist die Produktion von Strom auf der Basis regenerativer Energien in der Gemeinde zehnmal höher als der dortige Verbrauch.
Als der heutige Klimaschutzmanager Günter Voß seine Position 2016 in Lichtenau antrat, stand mit dem 1973 errichteten Realschulgebäude der größte Gebäudekomplex im Immobilienbestand der Gemeinde zur dringenden Sanierung an. Zuvor hatte Voß von 2005 bis 2010 das Lichtenauer Institut für energetische Gebäudesanierung (IGL) als Geschäftsführer geleitet und passend Projekt-Erfahrungen gesammelt.
In seinem Lichtenauer Verantwortungsbereich fehlten bis zum Jahr 2018 für Schul-Sanierungs-Maßnahmen Finanzierungs-Möglichkeiten. Eher zufällig stießen Günter Voß und weitere Verantwortliche - die damals leitende Architektin der Gemeinde Kordula Böhner und der Stadtwerke-Geschäftsführer Hermann Dickgerber - auf einen Wettbewerb, den das nordrheinwestfälische Wirtschaftsministerium initiiert hatte. Dieser richtete sich an Städte, Gemeinden und Kreise in NRW; gesucht wurden beispielhafte Ideen für den kommunalen Klimaschutz. Für die Gewinner ausgeschrieben war die Förderung von Projekten, die im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie beispielhaft Treibgas-mindernde Lösungen realisieren. Die Beteiligung an diesem Wettbewerb nutzten die Lichtenauer, indem sie für die Sanierung ein umfassendes Konzept eines „Klima-Campus“ mit der sanierten Realschule als zentralem Gebäudekomplex „ins Rennen“ schickten.
Die Jury des „KommunalerKlimaschutz.NRW“-Wettbewerbs war von diesem Konzept überzeugt und wählte es als eines von 25 vorbildlichen kommunalen Klimaschutzprojekten als preiswürdig aus. So wurde die Umsetzung des Lichtenauer Projekts durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen mit 8,3 Millionen Euro gefördert. Zusätzlich erhielt die Stadt mehrere Förderdarlehen der NRW.BANK - insgesamt kamen Fördermittel in Höhe von rund 13,3 Millionen Euro zusammen.
In der Folge wurden die Realschule und das umliegende Areal saniert, um heute den Lichtenauer Klima-Campus zu bilden, der 250 Tonnen CO2 jährlich einsparen hilft. (3)